Chorverband bald führungslos?
Gesucht wird: ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende des Chorverbands Siegerland. Aber nicht nur das. Gesucht werden außerdem Personen, die für den stellvertretenden Vorsitz und die Kreisgeschäftsführung kandidieren. Die Zeit drängt, denn in knapp zwei Wochen müssen diese dann vakanten Vorstandspositionen besetzt werden. Am Samstag, 27. April, beginnt um 14 Uhr im Otto-Reiffenrath-Haus in Neunkirchen der 2024er Chorverbandstag, und die Situation ist ernst. „Wir hatten einen Plan“, sagt der scheidende Vorsitzende Gert Bruch. Er und das bestehende Vorstandsteam hätten durchaus vorgearbeitet, doch zwingende persönliche Gründe der Beteiligten ließen die mögliche Lösung im Vorfeld scheitern. „Ich gebe noch nicht auf“, so Bruch. Er sei „jeden Tag am Telefonieren“, in der Hoffnung, dass sich engagierte Menschen aus den Mitgliedschören in die Verantwortung rufen ließen.
Vor zwei Jahren war der passionierte Sänger aus Kredenbach noch einmal angetreten, wollte den Verband bis 2024 führen. Mit dem Ziel, seine Aufgaben dann in gute Hände abzugeben. Dieser Ankündigung will Gert Bruch nun nachkommen. Nach zehn Jahren als Vorsitzender stehe er für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung, heißt es in der Einladung zum Verbandstag. Im Gespräch bekräftigt er seinen Entschluss: „Ich lasse mich nicht beknien.“
Seit 1973 bekleidet Gert Bruch Vorstandsämter in der Siegerländer Chorlandschaft. „Das Singen im Chor lag in der Familie“, sagt er. Schon der Vater und der Großvater seien passionierte Sänger gewesen, da lag nah, dass auch der 1951 geborene Enkel und Sohn Gert in den MGV Germania Kredenbach eintrat. „Man ist einfach gern in den Chor gegangen.“ Und weil ihm das Organisatorische nicht nur beruflich (im Qualitätswesen bei den Stahlwerken Südwestfalen) lag und Freude machte, wuchsen die Aufgaben auch im administrativen Bereich. Lange Zeit war Gert Bruch Pressewart im Chorverband, 2014 wurde er dann zum Vorsitzenden gewählt. Er folgte auf Hans-Jürgen Korstian ab, der zunächst die Nachfolge des rührigen Chorverbands-Motors Hermann Otto übernommen hatte. Otto war es auch, der Gert Bruch damals als Nummer 1 gewinnen konnte: „,Jong, ech ha jetzt mol en Überfall‘“, seien dessen Worte gewesen, erinnert sich der Kredenbacher.
„Bei mir war es ähnlich“, ergänzt Stephanie Kölsch, die 1. Schatzmeisterin des Verbands beim Interview in der Chorverbands-Geschäftsstelle. In der dritten Etage des Bürogebäudes am Siegener Kornmarkt scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Böden, Wände, Türen, Einrichtung und Bad sind aus der Mode gekommen; genutzt werden die Räumlichkeiten allerdings tatsächlich nur noch selten, sind mehr Depot als Dependance. Die Digitalisierung macht das Managen des Chorverbands längst von zu Hause aus möglich.
Sollten die wesentlichen Vorstandsposten nach dem 27. April offenbleiben, müsse der Chorverband Siegerland mit seinen immer noch mehr als 70 Mitgliedschören und über 4000 Mitgliedern womöglich „den Offenbarungseid“ leisten, so Gert Bruch. Im schlimmsten Falle müsse die Kooperation mit einem benachbarten Chorverband angestrebt werden. Solche Zusammenschlüsse habe es in den vergangenen zwei, drei Jahren im Chorverband NRW auch andernorts gegeben.
Die 2023 mit großer Mehrheit zur Kreisgeschäftsführerin gewählte Eileen Schmidt vom Singkreis Hickengrund beendete recht bald nach der Übernahme ihres Amtes ihre Vorstandstätigkeiten. Sie habe zeitliche Gründe geltend gemacht, heißt es im Protokoll.
Ausdrücklich würdigt Gert Bruch im Einladungsschreiben zum Chorverbandstag die von den Vorständen und musikalischen Leiterinnen und Leitern vergangenen Vereinsjahr geleistete Arbeit. Vier Chöre oder Vereine hätten „mangels negativer Mitgliederentwicklung ihren ,Singbetrieb‘ einstellen müssen“ und damit die Mitgliedschaft im Chorverband beendet: high5ive Burbach, Ensemble Cantemus-Siegen, die femmes vocales Kreuztal und Die Zwischentöne aus Freudenberg. Für die Zukunft, so Bruch, gelte es „nach wie vor stetig aktiv und innovativ zu sein, begleitet von Projekten mit sehr gutem Gesang und Musik“. Ein Ziel sei, Menschen für das Singen im Chor zu begeistern. Möglichkeiten seien gegeben: beim Siegener Stadtfest im Sommer, beim Altstadtfest im Herbst oder bei KulturPur an Pfingsten.
Mit freundlicher Genehmigung von Claudia Irle-Utsch und
der Westfalenpost & Westfälischen Rundschau!